Kinder aus suchtbelasteten Familien sehen lernen

Angebote zur Früherkennung und Förderung in Sachsen‐Anhalt – spezifische Hilfen für betroffene Kinder gibt es noch zu wenig

Sucht ist Familiengeheimnis
Kinder aus suchtbelasteten Familien hüten ein Familiengeheimnis und müssen häufig viel zu früh Aufgaben von Erwachsenen übernehmen. Schuldgefühle – so unberechtigt sie auch sind – beeinträchtigen die kindliche Unbeschwertheit: „Ich bin schuld, wenn Mama (oder Papa) trinkt“. Das Aufwachsen in einer suchtbelasteten Familie ist ein schwerwiegender Risikofaktor für die Ausprägung von psychischen oder sozialen Störungen sowie eigenen Suchterkrankungen im Erwachsenenalter. – In Deutschland ist nahezu jedes 5. Kind betroffen, etwa 6 Millionen Erwachsene sind als Kinder in einer suchtbelasteten Familie aufgewachsen.

Bundesweite Aktionswoche vom 12.-18.02.2023
Anlässlich der bundesweiten Aktionswoche von NACOA Deutschland für Kinder aus Suchtfamilien hat die Landestelle für Suchtfragen im Land Sachsen-Anhalt ihr Verzeichnis „Regionale Angebote in Sachsen-Anhalt zum Themenschwerpunkt Kinder aus suchtbelasteten Familien (PDF)“ aktualisiert herausgegeben.

Weiterbildung für pädagogische Fachkräfte
V.a. Fachstellen für Suchtprävention bieten pädagogisch Tätigen in KiTa, Hort, Schule und Jugendhilfe Fachwissen an. Ziel ist es, betroffene Kinder und Jugendliche in allen Feldern, in denen sie angetroffen werden, zu erkennen. Dies ist der erste Schritt dazu, diese Kinder in ihrem Verhalten zu verstehen, sie gezielt zu entlasten und zu fördern.

Spezifische Hilfen für betroffene Kinder gibt es noch zu wenig
Nur in vier Orten (Weißenfels, Schönebeck, Halberstadt, Magdeburg) sind uns spezielle Förderangebote für mitbetroffene Kinder bekannt. Die Angebote zielen auf die Stärkung der persönlichen Widerstandskräfte der Kinder und bieten Entspannung, Entlastung von Überforderungs- und Schuldgefühlen sowie Ermöglichung von Gemeinschaftserlebnissen. Erziehungs- und Familienhilfen kooperieren mit Suchtberatung und -prävention bei diesen Angeboten.

Auch in der Pandemie suchten suchtbetroffene Eltern Hilfe in Suchtberatungsstellen
Häufig liegt in der Elternschaft eine Motivation, ein suchtfreies Leben anzustreben. Die Kinder profitieren, wenn die Eltern ihre Probleme bearbeiten. Über die Anzahl der mitbetroffenen Kinder von Ratsuchenden an Suchtberatungsstellen gibt die landesweite Statistik der Suchtberatungsstellen Auskunft .

Im Pandemiejahr 2020

  • sind an Suchtberatungsstellen in Sachsen-Anhalt rd. 9.300 Ratsuchende mit eigener Suchtproblematik beraten worden (Vorjahr: 9.900),
  • hatten Ratsuchende an Suchtberatungsstellen in Sachsen-Anhalt insgesamt rd. 6.500 Kinder (Vorjahr: 6.700),
  • von diesen waren rd. 3.700 minderjährig (Vorjahr:3.800).
  • 2.703 minderjährige Kinder lebten mit den Ratsuchenden in einem Haushalt (Vorjahr: 2.684),
  • von diesen waren 1.846 eigene Kinder der Ratsuchenden (Vorjahr: 1.819).

Personelle Verstärkung der Suchtberatungsstellen nach wie vor notwendig
Die personelle Kapazität der Suchtberatungsstellen in Sachsen-Anhalt wurde in den letzten Jahren zwar stabilisiert, aber nicht wesentlich ausgebaut. Dabei kommen Suchtberatungsstellen mittelbar auch den Kindern von Ratsuchenden zugute. Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG vom 03.06.2021 haben Minderjährige einen eigenen Beratungsanspruch ohne ihre Erziehungsberechtigten erhalten. Mit zusätzlichem Personal könnten mehr Kinder und Jugendliche beraten werden, die bereits eigene Suchtprobleme entwickelt haben. Und mehr betroffene Minderjährige aus suchtbelasteten Familien könnten in Suchtberatungsstellen Rat finden – zwischen beiden Gruppen besteht eine große Schnittmenge.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Daten der Suchtberatungsstellen in Sachsen-Anhalt

Die Anzahl der Ratsuchenden mit Hauptdiagnose (ohne Einmalkontakte) ist 2020 gegenüber 2019 vor der Pandemie um etwa 500 Personen zurück gegangen.

Die Anzahl der beratenen Bezugspersonen (Angehörige, Lebenspartner u.a.) sank dagegen nur leicht

Suchtberatungsstellen im regionalen Netzwerk helfen indirekt auch mit betroffenen Kindern, gerade bei Betroffenen ohne anderen Kontakt zu weiteren Hilfediensten.

Bei der Anzahl der mit betroffenen Kinder bezogen auf die Art der elterlichen Suchtproblematik stehen Alkohol, Cannabinoide und Stimulanzien (Amphetamine, Methamphetamin) deutlich im Vordergrund.

Die Anzahl der Ratsuchenden, die mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben, stieg trotz der Pandemie bedingten Einschränkungen.

  • Zu den hier verwendeten Daten für Sachsen-Anhalt
    Alle Suchtberatungsstellen in Sachsen-Anhalt dokumentieren den Deutschen Kerndatensatz Sucht als Teil der Deutschen Suchthilfestatistik https://www.suchthilfestatistik.de/. Die Dokumentation wird für Sachsen-Anhalt durch die Landesstelle für Suchtfragen Sachsen-Anhalt (LS-LSA) koordiniert und mit Landesmitteln gefördert.
  • Quellenangabe:
    Deutsche Suchthilfestatistik, Auszug Sachsen-Anhalt, Tabellenband für Ambulante Beratungs- und/oder Behandlungsstellen; Bezugsgruppe: 3 – alle Betreuungen mit Einmalkontakten; (abgekürzt: DSHS LSA; Auszug u. Bearbeitung: LS-LSA)
  • Quelle für die hier verwendeten Übersichten
    Meeßen-Hühne, Helga (2022): Aufwachsen in einem suchtbelasteten Elternhaus; Fachvortrag i.R.d. 29. Magdeburger Fachtagung zur Suchttherapie, 05.10.2022;
    https://www.ls-suchtfragen-lsa.de/downloads/arbeitsmaterialen/#Kinder_aus_suchtbelasteten_Familien

Angebote in Sachsen-Anhalt und Handreichung
https://www.ls-suchtfragen-lsa.de/downloads/arbeitsmaterialen/#Kinder_aus_suchtbelasteten_Familien

Informationen zur bundesweiten Aktionswoche  
https://coa-aktionswoche.de/


Rückfragen:
Helga Meeßen-Hühne
Landesstelle für Suchtfragen im Land Sachsen-Anhalt (LS-LSA)
Halberstädter Straße 98,
39112 Magdeburg
+49 (0) 391 543 38 18    
info@ls-suchtfragen-lsa.de    
www.ls-suchtfragen-lsa.de